Heilpädagogische Kirchliche Unterweisung im Wandel

Religiöse Bildung und Begleitung früher und heute

Früher besuchten Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung oft keine Kirchliche Unterweisung (KUW) und wurden nicht konfirmiert, weil man glaubte, dass sie es ja nicht verstehen. Eltern wurden dadurch vor den Kopf gestossen und verletzt.

1973 gründeten Pionierinnen und Pioniere im Kanton Bern die Kommission Behindertenkatechese und organisierten Frühlings- und Herbsttagungen für Eltern und Unterrichtende. Der Antrag auf ein Sonderpfarramt für Menschen mit geistiger Behinderung wurde 1982 von der Synode der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso) abgelehnt.

Durch die Einführung der KUW auf die Unter- und Mittelstufe wurden in den 90er Jahren aber grundsätzliche Gedanken zur Kirchlichen Unterweisung gemacht. Es wurde erkannt, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung oft an keiner oder nur einer minimalen KUW teilnehmen durften. Um die Heilpädagogische (Hp) KUW in den Refbejuso besser zu verankern, gab die Synode 1997 grünes Licht zur Schaffung einer 40% Stelle für die Leitung der Hp KUW. Diese wurde in der Fachstelle Weiterbildung und Beratung KUW, im Bereich Katechetik, angesiedelt. Die Fachkommission Hp KUW unterstützt und begleitet die Arbeit der Stellenleitung.

Von der Behindertenkatechese zur Heilpädagogischen KUW

Die kirchliche Unterweisung nannte man früher Behindertenkatechese. Sie wurde vor allem als diakonische Arbeit wahrgenommen. Die Bildung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung wird seit einigen Jahren Heilpädagogische Kirchliche Unterweisung (Hp KUW) genannt. Diese Arbeit stützt sich auf die Kirchenordnung Artikel 68:"Der Kirchgemeinderat, gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Kirchgemeinden sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung eine entsprechende kirchliche Unterweisung mit abschliessender Konfirmation besuchen können. In der Hp KUW gelten die gleichen Grundsätze und Grundlagen wie in den Regelklassen. Im didaktisch-methodischen Bereich werden andere Akzente gesetzt.

Weiterbildung für die Unterrichtenden

Damit die Hp KUW überall im Kirchengebiet erteilt werden kann, bot die Refbejuso zwischen 1999 und 2001 eine eigene Heilpädagogische kirchliche Zusatzausbildung für Katechetinnen und Katecheten an. Am 28. Juni 2001 erhielten 14 Unterrichtende ihr Zertifikat in der Stadtkirche in Thun.

Kostenbeiträge der Refbejuso an die Hp KUW

Die Refbejuso setzten sich zum Ziel, bis 2005 KUW für alle Kinder und Jugendlichen mit einer Behinderung anzubieten. Zusätzlich beschloss die Synode 2003 deshalb eine finanzielle Starthilfe für die Trägerschaften der Hp KUW. Seit 2005 werden die Kirchlichen Bezirke und Kirchgemeinden mit 300 Franken pro Schülerin und Schüler unterstützt. Pro Jahr besuchen 350 - 400 Kinder und Jugendliche die Hp KUW.

Lebens(t)räume

2003, im europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen feiern die Bernerinnen und Berner ein Fest!

Am 16. August 2003 steigt auf dem Areal der Dreifaltigkeitskirche das fröhliche farbige Fest unter dem Motto "Lebens(t)räume" mit vielen Überraschungen und musikalischen Höhepunkten.

Gemeinsam geplant am "Runden Tisch" tragen verschiedene Organisationen die Verantwortung finanziell und personell: Refbejuso, Röm.-kath. Kirche Kanton Bern, insieme Region Bern, Gehörlose und Hörbehinderte Kanton Bern, Vereinigung Cerebral Bern, Pro Infirmis, Schweizerischer Blindenbund, Einzelpersonen mit einer Behinderung.

Ökumenische Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit der Refbejuso mit der Röm.-kath. Kirche wurde wichtiger: Alle Weiterbildungen für die Hp KUW / den HRU (Heilpädagogischer Religionsunterricht) werden ökumenisch angeboten. Es bildete sich die Arbeitsgruppe "ökumenische Zusammenarbeit in Bern und Umgebung". Diese erarbeiteten Vorschläge zur Kooperation der beiden Konfessionen zum  Kirchlichen Unterricht in den Heilpädagogischen Schulen.

Weiterbildungen

Seit dem Jahr 2005 finden die ökumenischen Tagungen Menschen mit Behinderung und Kirche als Anlass für ein erweitertes Publikum statt: Eingeladen werden Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung, ihre Eltern und Geschwister, Unterrichtende der Hp KUW und weitere Interessierte. Aktuelle Themen wie "Wenn alles ein Bisschen viel wird" oder "Ist Sexualität ein Geschenk?" sowie "und wer kümmert sich um mich?" werden miteinander und in den Interessensgruppen diskutiert.

Jedes Jahr hatten die Unterrichtenden die Gelegenheit, eine Institution zu besuchen. Im Jahr 2008 z. B. die Heimstätte Bärau. Neben dem Kennenlernen der Heimstätte war "Autismus" das Schwerpunkthema. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gaben wertvolle fachliche Informationen über Menschen mit Autismus weiter. Die Unterrichtenden lernten Techniken im Arbeitsprogramm kennen und konnten Fragen stellen.

Impulsmappen als Hilfe für die Arbeit

2006 erschien erstmals auf den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember eine Impulsmappe. Diese bietet Ideen und Materialen zur Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung in den Kirchgemeinden. Künstlerinnen und Künstler der Raffaelstiftung in Konolfingen malten Bilder zur Geschichte "Licht kann man verschenken". Als Kernstück der Impulsmappe zum Thema "Licht" sind die Bilder im Advent als Lichtblick in vielen Gottesdiensten eingesetzt worden. Seither erschien die Impulsmappe jährlich.

Deutschschweizerische Zusammenarbeit

2004 erschien der erste ökumenische Lehrplan für den heilpädagogischen Religionsunterricht bei Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung unter der Verantwortung der Interdiözesanen Katechtischen Kommission (IKK) und der Katechetischen Kommission der Deutschschweizerischen Kirchenkonferenz (KaKoKi).

Die Verantwortlichen HRU aus dem Kanton Aargau und der Hp KUW der Refbejuso ergriffen die Initiative zur Gründung einer deutschschweizerischen Arbeitsgruppe für die Anliegen der Heilpädagogischen kirchlichen Arbeit zusammen mit Menschen mit Behinderung. Im Mai 2006 wurde die Arbeitsgruppe der KaKoKi für die religiöse Bildung und Begleitung von Menschen mit Behinderung gegründet. Diese Arbeitsgruppe leistete wichtige Arbeiten. Z.B.

  • Am 13. September 2008 fand das Deutschschweizer Forum zu religiösen und spirituellen Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit kognitiver Behinderung in Zürich statt.
  • Aus den daraus wachsenden Erkenntnissen erarbeitete eine Arbeitsgruppe die Broschüre: "Ganz normal anders? Ein Leitfaden für Kirchgemeinden rund um das Thema Mensch und Behinderung" - ein Leitfaden, der vielerorts grosse Beachtung erhielt.
  • Ein Lehrmittel für den HRU ist in Erarbeitung

Hp KUW Heute

Die Hp KUW wird als wichtige Aufgabe in den Kirchlichen Bezirken und Kirchgemeinden wahrgenommen, unterstützt und getragen. Für Erwachsene werden vielerorts Angebote organisiert.

Die Unterrichtenden der Hp KUW sowie die Mitarbeitenden der Erwachsenenarbeit setzen sich mit grossem Engagement und Einfühlungsvermögen für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ein. Die Kirchlichen Behörden erkennen, dass Menschen mit Behinderung mit ihren Kompetenzen eine neue Dimension in die Kirchgemeinden tragen können. Erfrischend, wenn z. B. Thomas sagt: "Kirche gibt eine gute Laune".

Rückblick - Momentaufnahme und Ausblick

Der Film "Ein Segen für alle - une bénédiction pour tous" der Refbejuso zeigt die Vielfalt und Besonderheit dieser Arbeit eindrücklich. Er ist am am 4. Dezember 2012 erschienen.

Eindrücklich, wenn eine Mutter von einer Tochter mit Behinderung im Film sagt: "Eine neue Dimension öffnet sich für meine Tochter in den Andachten". Oder ein Mann aus Interlaken meint: " Ich tue mir etwas Gutes und bete - das beruhigt mich innerlich."

Helene Geissbühler

Trailer zum Film – Ein Segen für alle

Hinweis

Unter diesem Link finden Sie die Adresse für die Ausleihe und den Verkauf der DVD:

www.refbejuso.ch/beratung/auskunftsstelle-kuw/ein-segen-fuer-alle-une-benediction-pour-tous.html