Spitalseelsorge im grossen und kleinen Spital - ein Nutzen für alle

Unfall oder Krankheit krempelt das Leben der Menschen um, ein Spitalaufenthalt verunsichert und ist geprägt von unzähligen Untersuchungen am Tag, welche die Tagesstruktur bestimmen. Mitten drin das Angebot: Seelsorge. Im Inselspital Bern begleiten Pascal Mösli und Team die Patientinnen und Patienten die nächsten Schritte zu tun, im Spital Langenthal tut dies Ulrich Gurtner.

Beide Spitalseelsorger sind Fragende, beide seit mehreren Jahren in Spitälern tätig, es verbindet sie der bewusste, achtsame und respektvolle Umgang mit den Patientinnen und Patienten; die Arbeitswelten von Ulrich Gurtner und Pascal Mösli unterscheiden sich aber deutlich.

Das Büro von Pascal Mösli liegt im Untergeschoss einer wunderhübschen kleinen Kapelle, die auf einem grünen Hügel steht; ringsum ragen Beton und Glas bis in den Himmel. Aha!, denkt die Schreibende, das ist also die wahre Insel des Inselspitals Bern. Der Alltag des Seelsorgers entspricht aber nicht einem Inselleben. Viele Kontakte, viel Struktur und viele Aufgaben: Den Pikettdienst regeln und Teamsitzungen einberufen, an Stationsrapporten teilnehmen zwecks Eruierung, welche Patienten ein Gespräch wünschen, Kurse für Inselmitarbeitende ausschreiben, Kasualien z.B. Nottaufen bei Neugeborenen ausrichten, Inselgottesdienste vorbereiten. All dies steht im Dienst der Hauptaufgabe der Seelsorge, nämlich: Gespräche mit Angehörigen führen und für die Patienten da sein, welche sich an das Seelsorger-Team gewandt haben. "Wenn ich durch die Gänge laufe, überlege ich mir, wie wir unseren Dienst noch verbessern können. Was brauchen die Menschen in diesem Mikro-Kosmos?" Pfarrer Mösli schätzt es sehr, ein Mitarbeiter der Insel zu sein, das Team der Seelsorger gehöre zur Institution dazu. Bei vielen Entwicklungen der letzten Jahre sei das Seelsorgeteam einbezogen worden. Als Beispiel führt er den Raum der Stille im neuen Notfallzentrum an und die Eröffnung der Station für Palliativmedizin. Der medizinische Leiter der neuen Station sei sehr am interdisziplinärem Austausch interessiert, Spiritualität als eine Dimension der Gesundheit werde anerkannt. Pascal Mösli meint, dass die Erkenntnisse der Palliativmedizin künftig die Medizin verstärkt beeinflussen werde.

Herr und Frau Wiederkehr

Auch das Spital Langenthal ist eine Welt für sich. Der Eintritt in ein Spital – egal welcher Grösse – ist für die meisten Menschen ein ungewohnter und oft beunruhigender Lebensmoment. "Unsere Aufgabe ist es, dem Menschen behilflich zu sein, seine nächsten Schritte zu machen. Wenn er dies wünscht!," ein Nein nimmt Ulrich Gurtner freundlich entgegen, und schon oft sei dies ausschlaggebend gewesen für ein Ja bei einem erneuten Spitalaufenthalt, erzählt der Pfarrer. Da die Patientinnen und Patienten auf der medizinischen Abteilung meist Betagte sind, käme es häufig vor, dass man sich zweimal treffe. Liebevoll spricht Ulrich Gurtner von "Herr und Frau Wiederkehr".

Das Spital Langenthal selbst nahm in den letzten Jahren Abschied von vielerlei Dingen. Unter anderem wurde die Langzeitpflege ausgelagert und deren Räume für die innere Medizin umfunktioniert, ausserdem finden neu die Aus- und Weiterbildung der Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern zentral an den Schulen in Bern statt. Davon ist auch das seelsorgerliche Angebot im Spital betroffen; bisherige Aufgaben wie eben Kurse für Mitarbeitende fallen weg. Die Aufgabenvielfalt hat abgenommen, aber nicht die seelsorgerliche Tätigkeit. Ulrich Gurtner erklärt: "Das Spital hat den Auftrag einer Reparaturwerkstätte und Ziel ist es, den Patienten, die Patientin möglichst wieder herzustellen und zurück in den Alltag zu entlassen. Seelsorge ist die Ergänzung zur Medizin. Ich nehme den Menschen ganzheitlich war und kann Zeit zur Verfügung stellen. Auch die Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner leben den Gedanken der Ganzheitlichkeit, oft fehlt den Pflegenden aber die Zeit für ein Gespräch. Ich bin wie ein Joker, den sie einsetzen können." Seelsorge in Langenthal ist ein Einmannbetrieb – heute. Ulrich Gurtner bedauert dies: "Es war angenehm ein Miniteam zu sein und auch die Patientinnen und Patienten schätzten es, zwischen einer Frau oder einem Mann wählen zu können."

Das "Totemügerli"-Syndrom

Sowohl Pascal Mösli von der Insel sowie Ulrich Gurtner aus dem Spital Langenthal berichten, dass die ökumenischen und die interkulturellen, interreligiösen Dimensionen wichtig sind. Beide Seelsorger sind in ihrem Umfeld gut vernetzt und weisen sich durch eine hohe Fachkompetenz aus. Bei der Begrüssung der Patientinnen und Patienten begegnet beiden manchmal eine Art Schrecken. Ulrich Gurtner nennt dies das "Totemügerli"-Syndrom. Pascal Mösli schildert den Vorgang so: "Ich trete ein und werde mit Neugierde betrachtet, sobald ich aber mitteile, dass ich zum Seelsorgeteam gehöre, verschliesst sich hin und wieder der Blick. Manche sagen auch ‚steht es so schlimm um mich?’. Es sind kurze Momente, wie wenn wir zusammen durch eine Art Nadelöhr gingen, dann tut sich ein Raum auf und Begegnung und existentielle, spirituelle Fragen haben Platz."

Wie gross das Tätigkeitsfeld der Seelsorgerinnen und Seelsorger an ihren jeweiligen Wirkungsstätten sein wird, ist offen. Vielleicht gelingt der Gang durchs Nadelöhr auch den Verantwortlichen der Kirchen und des Kantons, sodass Seelsorge weiterhin zum Wohle der Patientinnen und Patienten wirken kann.

Barbara Richiger

 

Ulrich Gurtner

btr. Der Langenthaler Seelsorger bezeichnet sich, als "einer, der immer viel Fragen stellte", früh mit dem Christentum sozialisiert, wäre es naheliegend gewesen, gleich nach der Schule Theologie zu studieren. Doch Ulrich Gurtner liess sich zuerst zum Lehrer ausbilden, bevor er sich der Theologie zuwandte. Nach etlichen Jahren im Pfarramt entschied sich Ulrich Gurtner für einen Arbeitsplatzwechsel: "Als Gemeindepfarrer ist man ein Zehnkämpfer, ich spürte den Wunsch, einen Schwerpunkt zu setzen." Ulrich Gurtner bereut den Schritt nicht. In Langenthal fanden 2011 1'051 Patientengespräche statt, wovon 127 Gespräche zur Sterbebegleitung gezählt werden. Zu den zusätzlichen Aufgaben zählt die Supervision der Begleiterinnen und Begleiter von Schwerkranken der SPITEX-Dienste Langenthal und Umgebung. Ulrich Gurtner ist ebenfalls Mitglied in der "Fachkommission Seelsorger" der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Die Seelsorger-Stelle in Langenthal wird zu 55% vom kirchlichen Bezirk finanziert und zu 25% durch das Spital - eine Ausnahmeregelung.

Pascal Mösli

btr. Theologie und Medizin, diese zwei Disziplinen sind in seiner Familie über Generationen hin verankert.  Pascal Mösli selbst arbeitete bereits während des Theologiestudiums in der Langzeitpflege. Sein Weg führte ihn für sechs Jahre ins Pfarramt und für einige Zeit aus der Kirche heraus. Pascal Mösli war Gründungsmitglied der Geschäftsleitung einer Organisation, welche Familien ergänzende Kinderbetreuung in Bern anbietet. Doch bald merkte er, wo es ihn wirklich hinzog: Dorthin wo existenzielle und spirituelle Fragen gestellt werden. "Im Inserat des Inselspitals stand, dass Konfession als spezifische Fachkompetenz gesehen wird. Dieses Verständnis zeugt meines Erachtens von einer wichtigen Entwicklung. Und es ist für unser ökumenisches Team die Grundlage unserer Zusammenarbeit." Im Seelsorgerteam des Inselspitals arbeiten fünf reformierte Pfarrer und drei katholische Theologen, ein Priester, ein Sigrist, freiwillige Seelsorgende, Organistinnen und Organisten ergänzen das Team punktuell. Im französischen Besuchsdienst arbeiten vier Freiwillige mit. Im Jahre 2011 fanden 4'284 seelsorgerliche Kontakte statt. Zugenommen haben seit 2003 deutlich die Einsätze in Krisensituation, was zeigt, dass die Inselseelsorge fest in der notfallpsychologischen und –seelsorglichen Betreuung der Patientinnen, der Patienten und ihrer Angehörigen eingebunden ist. Seit Winter 2012 gibt es das Insel Care Team Kata für Katastrophensituationen, das eng mit dem Care Team Kanton Bern zusammenarbeitet. Nebst Weiterbildungsveranstaltungen für Gesundheitsberufe, finden Veranstaltungen für andere Teams der Insel statt. An einer freiwilligen Erfahrungsrunde für alle Angestellten im Reinigungsdienst beispielsweise nahmen 70 Personen teil. Oft seien gerade auch Raumpflegende Ansprechpersonen für Kranke, und seien häufig durch bewegende Situationen belastet.

 
Jeden Sonntag wird in der Inselkappel ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert. Die Gottesdienste werden im Inselradio übertragen.
Pascal Mösli, reformierter Co-Leiter Seelsorge Inselspital Bern.